Stéphane Garin & Sylvestre Gobart
Gurs/ Drancy/ Bobigny’s Train Station/ Auschwitz/ Birkenau/ Chelmno-Kulmhof/ Majdaneck/ Sobibor/ Treblinka 2xCD
(Gruenrekorder Gruen085)
Birthe Klementowski/Vortex
Stille // Silence – Euthanasie In Hadamar 1941-1945 Buch+CD
(Ikonen Media)
Die Horror des Naziterrors tauchen in der experimentellen Musik, zumal in den Zirkeln des Post-Industrial, meist nur als Rede-Sample oder Schreckensikonographie auf. Generalisierungen sind tunlichst zu vermeiden, aber leider ist es doch oft so, dass diese Ingredienzen in zweifelhafter Art und Weise eingesetzt werden – als Schocktrivia, oder bloßes Souvenier einer affirmativ ausgelebten Randständigkeit. Wie wohltuend ist es da, zwei Beispiele für einen anderen Umgang mit dem Nazierbe in Sound vorstellen zu können. Die französischen Klangkünstler Stéphane Garin & Sylvestre Gobart haben Standorte von KZs bereist und vor Ort Feldaufnahmen gemacht. Stimmen von Besuchern, Wind in den Bäumen überwucherter Todesorte, Vogelgezwitscher. Dazu sind mattgrüne Fotografien der Schreckensplätze beigefügt, die nicht die typischen Bilder zeigen (Baracken, Schornsteine der Brennöfen), sondern untypische Ausschnitte aus dem direkten Umfeld der Unorte: Waldstücke, Verwaltungsgebäude, flache Äcker. In eigenen Worten wollen sich die beiden Urheber durch diese Verschiebung hin zum „Normalen“ der Todesorte genau dem Effekt entziehen, der die aus History-Dokus bekannten Ikonographien zur eingeübten, starren Erinnerungskultur werden lässt, die ultimativ ins Vergessen führt. Mit der klanglichen Momentaufnahme dieser Orte wollen Garin/Gobart eine alternative Erinnerungsroute eröffnen. Dies gelingt eindrucksvoll, wobei die Arbeit nur als Gesamtwerk funktioniert. Denn ohne Text und Fotodokumentation ist das Rauschen der Äste und zwischern der Vögel eben nur genau das: Rauschen und Zwitschern.
Die Fotokünstlerin Birthe Klementowski hat in reduzierten Schwarzweißbildern die Räume der Tötungsanstalt Hadamar eingefangen. Dieser hessische Schreckensort war Teil des Euthanasie-Programms und mit einer Gaskammer, einem Seziertisch und weiteren Unvorstellbarkeiten ausgestattet. In Hadamar wurden über 10.000 Menschen von den Nazis ermordert, heute ist der Ort eine Gedenkstätte. Klementowskis Fotografien bilden nackte Räume ab, oft im Gegenlicht oder mit weichen Konturen. Die Bildsprache ist einerseits fast schon brutal realistisch und andererseits sinnierend-zurückgenommen, wie als um einer Reflektion über die schreckliche Funktion der Architektur Platz zu lassen. Dazu passt die dunkel-schwebende Ambientmusik von Vortex, dem Projekt von Marcus Stiglegger, der diese Edition auch herausgegeben hat. Jenseits von Effekthascherei wird hier eine künstlerische Annäherung an einen dunklen Ort deutscher Geschichte erreicht: zurückhaltend und respektvoll.
Zipo
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