BEN PATTERSON. Born in the State of FLUX/us, 28.08.2012
Wohl einer Stadt, die 50 Jahre Fluxus feiern darf! Der Nassauische Kunstverein Wiesbaden zeigt im Kontext der Feierlichkeiten die Werkschau „Born in the State of FLUX/us“ des Wahl-Wiesbadeners Benjamin Patterson. Patterson ist Mitbegründer der Fluxus Bewegung und vor allem Initiator des bahnbrechenden Festivals Neuester Musik, das 1962 in Wiesbaden stattfand. Patterson ist ausgebildeter Musiker; viele seiner Readymades wirken wie Partituren oder komponierte Assemblagen.
Die Ausstellung, eine Übernahme vom Contemporary Arts Museum Houston und einzige europäische Station, zeigt verschiedene Werkzyklen Pattersons und verknüpft diese mit biografischen Etappen. Faszinierend sind die frühen Fluxus-Notationen, aus der Zeit der Aktionen bei Mary Bauermeister („String Music“, 1960) und die aus Performances hervorgegangenen Objekte und erweiterten Instrumente, wie der „Flying Bass II (2010). Fluxus ist z. T. als zänkisches Movement in der Wahrnehmung, Patterson bildet in seinen selbstreflektierenden Arbeiten das großzügige Gegenstück hierzu. In einer wandbreiten Installation („Fluxus Constellation“, 2002 Bild oben) aus Baumarktlampen und überschrieben mit einer Fluxus-Lichterkette steht jede Lampe für einen der Fluxus-Akteure, versehen mit dem jeweiligen Sternzeichen. Überhaupt spielt der Humor bei Patterson eine große Rolle. In neueren Readymades aus seinem Atelier werden Puppen und Alltagsfundstücke zu clownesken Figuren collagiert. Als Motto eingegeben sind den Figuren die klassischen Anfangssätze aus Märchen „Once upon a time…“. Am Ende eines Raumes hin zu einem Balkon-ähnlichen Vorbau ist das „Birdhouse“ (2011) installiert, ein Setting mit Vogelhäuschen und künstlichen Tieren, die zu piepen beginnen, sobald sich der Betrachter nähert. Eine wunderbar spielerisch-lustige Arbeit mit Musikbezug ist „Trains of Thought“ von 1997, in der Patterson unter Zugschildern mit prosaischen Komponistennamen (Haydn, Ravel, etc.) assoziativ verschiedenste Setzkästen collagiert.
Die persönlichste Arbeit ist sicherlich „Blame It On Pittsburgh“, eine Serie von auf Plexiglasscheiben notierten Protokollen von Pattersons psychoanalytischen Sitzungen.
Ben Patterson wurde vom Nassauischen Kunstverein eingeladen seinen eigenen „Spielraum“ zu kuratieren. Jeden Dienstag lädt Patterson befreundete oder solche Künstlerinnen und Künstler ein, die in seinen Augen das Erbe von Fluxus fortsetzen oder die Radikalität der Bewegung auflegen lassen. Am 28.08. ist der Kölner Künstler hans w. koch zu Gast, der einige „Klassiker“ aus seinem Repertoire präsentiert. Mit der Serie Computermusic (begonnen 1996) erforscht koch die klanglichen Möglichkeiten des Computers selbst – wie klingt die Festplatte, wie raschelt das Motherboard. Zum Ende der Performance, die das Aufschrauben und mehrmalige Booten der Kiste beinhaltet, geht koch mit einer Salzwasserlösung zu Werke, um Kurzschlüsse zu forcieren. Hey, wie das alles schön kratzbürstig brutzelt! „The Benchmark Consort“ (2008) ist ein Stück, bei dem koch eine Testsoftware so manipuliert hat, dass sich in ihr immer neue Fenster öffnen bis der Compuer abstürzt. Dies wird mit Laptops von Freiwilligen aus dem Publikum performt, die in einen Wettstreit treten, welches Gerät als erstes abstürzt. Die Kunst des Scheiterns gilt auch für die Maschine! Eine schöne Ergänzung zum Besuch einer faszinierenden Ausstellung.
Till Kniola, Fotos: Copyright Nassauischer Kunstverein Wiesbaden