Full Blast & Rupp/Pliakas/Wertmüller – CDs

 

Full Blast
Black Hole / Live at Tampere CD
(atavistic ALP195CD)
Olaf Rupp/Marino Pliakas/Michael Wertmüller
Too Much Is Not Enough CD
(FMP CD135)

Der Rezensent gibt zu: auf dem Gebiet des Jazz ist er kein Experte, weshalb er sich grundsätzlich auch eher ungerne ein Urteil darüber erlaubt. Der Avant- bzw. Free Jazz hat ihm in den letzten paar Jahren allerdings so sehr den Kopf verdreht (und die Ohren freigespült), dass es ihm ein echtes Anliegen ist, seine Begeisterung dafür am Beispiel einiger aktueller Neuerscheinungen aus dem Umfeld eines seiner unbestrittenen Helden kundzutun: Peter Brötzmann. Der ist zweifellos ein alter Hase der Szene, mit allerdings überragender Strahlkraft auf die jüngeren Protagonisten, mögen sie aus Skandinavien (Paal Nilssen-Love, Mats Gustafsson), aus den USA (Ken Vandermark, Fred Lonberg-Holm) oder eben, wie bei den hier vorliegenden Aufnahmen, aus der Schweiz stammen.
Natürlich haben Michael Wertmüller (dr, perc) und Marino Pliakas (bass) noch deutlich mehr Meriten vorzuweisen, wofür ihre gemeinsam mit dem Gitarristen Olaf Rupp eingespielte CD ein ganz herausragendes und zu Recht bereits viel gelobtes Beispiel ist. Charakteristisch hierfür, wie auch für die gemeinsam mit ebenjenem Peter Brötzmann unter dem Projektnamen „Full Blast“ aufgenommene Doppel-CD „Black Hole / Live at Tampere“, die kürzlich von Atavistic re-releast wurde, ist die schier unbändige Energie, die dem Zusammenspiel der beiden Trios entspringt und der sich der Hörer, nicht zuletzt in der Live-Situation (dokumentiert hier auf der „Tampere“-CD), nahezu unmöglich entziehen kann.
Natürlich reicht diese Feststellung nicht an den hohen Komplexitätsgrad der zu besprechenden (und keineswegs immer frei improvisierten, sondern teilweise, insbesondere in den Schlagzeugparts Michael Wertmüllers, auch mal minutiös genau auskomponierten) Musik heran. Doch selbst Wolf Kampmann bekennt sich in seinem Pressetext zur Rupp/Pliakas/Wertmüller-CD auf FMP zur Unterkomplexität, zu der die Kritik solcher Aufnahmen – einer Kapitulation gleich – beinahe gezwungen ist. Ganz besonders, wenn jene bereits im Titel das Motto „Too Much Is Not Enough“ für sich ausgeben.
Kampmann beschreibt den kreativen Ursprung dieser also offenbar ganz bewusst einkalkulierten intellektuellen Überforderung des Hörers mit der schönen Metapher eines „collective molecular action painting“. Das trifft es jedenfalls in dem Sinne sehr gut, dass das subjektive Erleben solch akustischen „Action Paintings“ allen voran pure, nervös flackernde tönende Energiefelder und deren jeweilige Auf- und Entladungen im Raum zu sein scheinen, die den Hörer mit voller und eben kaum mehr zu durchschauender Wucht treffen. So bleibt ihm oft gar keine andere Wahl, als sich davon schlicht mitreißen und dann mittreiben zu lassen.
Keine Frage: Eine solch simplifizierte Wirkungsbeschreibung kann keinen echten Durchblick für sich reklamieren. Pliakas, Wertmüller, Rupp und Brötzmann werden uns das aber gewiss nicht allzu übel nehmen, solange das Urteil über ihre Musik einzig und allein lauten kann: Großartig! – und: Bitte mehr davon!
Strunz!