Hildur Guðnadóttir
Chernobyl OST CD
(Deutsche Grammophon 483 6363)
Ohne die HBO-Miniserie „Chernobyl“ zu kennen bleibt zu konstatieren, dass von Hildur Guðnadóttirs Musik dazu eine enorme emotionale Sogkraft ausgeht, die die Imagination beflügelt und die Gedanken anregt. Die künstlerische Strategie ist dabei durchaus nicht jene der Überwältigung, wie sie leider von etlichen Soundtracks bekannt ist. Im Gegenteil; die Isländerin lässt ihre Skills der experimentellen Cello-Platten auf Touch durchaus auch hier einfließen. Gleich der Einstieg in Chernobyl, vielsagend betitelt mit The Door, bleibt verstörend offen und fragil, setzt Kratzgeräusche und entfernt heulende Flächen zur Erschaffung einer nebulösen Atmosphäre ein, die sich nicht eindeutig charakterisieren lässt. Was erwartet uns: Schrecken oder Trost? Hoffnung oder Verzweiflung? Zwischen diesen emotionalen Polen pendelt die schöne Arbeit, die auf jeden Fall auch ohne die Bilder funktionieren kann. Das Setting wechselt von abstrakten Electronics und verfremdeten Geräuschen hin zu kammermusikalischen Nummern und ergreifenden Chorälen (z.B. Vichnaya Pamyat), ohne jemals kitschig oder überladen zu klingen. Es bleibt immer Raum für leise Passagen und Stille. Großartig!
Zipo
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