Das von Cedric Peyronnet betriebene kaon-Label hat sich zwar in jüngster Zeit auf fast schon privatistische Kleinsteditionen beschränkt, bietet aber immer wieder echte Perlen und Entdeckungen. kaon verschreibt sich konsequent der Beschäftigung mit den akustischen Eigenschaften unserer Umwelt, sei es in der direkten Montage von field recordings als akustische Kartographie, sei es in fantasievollen Kombinationen aus „gefundenen“ Klängen und abstrakter Elektronik.
Viele der auf dem Label vorgestellten Künstlerinnen und Künstler sind Landsleute von Peyronnet, so auch Thibault Jehanne (Jahrgang 1989). Seine knapp 15-minütige Arbeit La Cabane de Béton (MCDR, SE15) entstand im Rahmen einer Künstlerresidenz in der Villa La Brugère in der Normandie, wo jährlich mehrere Aufenthalte von Musikern, Philosophen und Bildenden Künstlern ermöglicht werden. La Cabane de Béton arbeitet mit Feldaufnahemn aus dem Dorf, in dem die Villa steht. Wir hören Wasserplätschern, fernes Vogelgekrächzte, Landschaftsambience. Es scheint einen konzeptuellen Bezug zu Rabelais und seiner Erzählung der mythischen Abenteuer des Pantagruel zu geben; aufgrund fehlender Französischkenntnisse kann dies aber nur vermutet werden. Jehanne erschafft eine sehr fragile Geräuschwelt, die poetisch und magisch tönt. Zum Ende der freien Collage wird die knisternde und knacksende Aktion von einem leise wogenden, sich verdichtenden Akkordeon-Sound unterlegt, was ein wenig an Dominique Petitgand denken lässt.
Drei Jahre lang hat Cedric Peyronnet Aufnahmen am Lauf des Taurion in seinem Departement in der Nähe von Limoges gemacht. Entstanden ist eine umfangreiche Soundbank, die er in der Serie La Riviere für Künstler öffnete – die Vorgabe war, mit den Flußaufnahmen als Grundlage ein neues Stück zu erarbeiten bzw. sich von den Flußaufnahmen Peyronnets zu einem neuen Werk inspirieren zu lassen. Über drei Jahre gab es alle zwei Monate zu diesem Thema neue Veröffentlichungen, meistens in Form von handnummerierten Mini-CDRs. Aus der ersten Tranche der Fremdprojekte stammt Gisements von Marc Namblard, einem Öko-Educator und Wildlife-Recordist, der u.a. für exklusive Kunstbuchprojekte zu bestimmten Tierarten den Soundscape beigesteuert hat. Auf seiner Taurion-Reminiszenz wählt er den Mittelweg aus unbearbeiteten Feldgeräuschen aus der Klangbibliothek und abstrakten elektronischen Sounds. Es entsteht eine spannende Wechselwirkung zwischen „Natur“ und „Komposition“, wobei erstere wesentlicher Bestandteil letzterer ist, gerade in der dynamischen Konstruktion. Einige Längen hat Gisements, gerade dann, wenn auf allzu plakative synthetische Sounds zurückgegriffen wird, aber die Magie rieselnder Kiesel in der Strömung verschnitten gegen dröhnende Bassflächen ist äußerst reell und effektiv. Cedric Peyronnets eiegens Projekt toy.bizarre soll hier in einer ungewöhnlichen Arbeit genannt werden, nämlich in der Verwendung von künstlerischen Sourcings als Feldmaterial. Die Grundlage der sieben Stücke auf kdi dctb 071 – EP (MCDR, kaon JU14) bildet Basismaterial, das von Das Synthetische Mischgewebe vermutlich bereits Ende der 1990er Jahre angeliefert worden ist. Entsprechend untypisch klingen toy.bizarre hier: wie in einem Funpark für CB-Amateure knattert und brutzelt es, schnalzen die Störsignale und knistern die defekten Kabel. Fast schon noisig kann das werden, immer ist es spröde und stoisch, wie eine Erkundung durch ausrangierten Radioempfänger.
Zipo
www.kaon.org