Monotype Records / BOLT / Catsun
Das Empirium des Jakub Mikołajczyk schlägt zurück! Eine konstante Welle an Releases erreicht uns aus Polen, ungebrochen scheint der Enthusiasmus im Nachbarland. Die Bandbreite des Outputs reicht von neuen Improvkonstellationen bekannter Musiker bis hin zu echten Neuentdeckungen und historischen Releases. Hier folgt eine kursorische Erfassung mit Mut zur Lücke…
Gerne lasse ich mir mangelnde Inspiration vorwerfen, bei dronigen Akkordeonklängen mit der Oliveros-Keule zu schwingen, aber es hilft ja nun mal nix. Die Referenz bleibt für mich stimmig. Der portugiesische Musiker Alfredo Costa Monteiro ordnet auf UM EM UM (mono090) kraftvolle Klangflächen an, brodelnde Horizontalen, in die er kleinste Geräusche versenkt. Wem es gelingt, den verwobenen Schallstrom zu durchbrechen, der fidnet auf der anderen Seite manches Geheimnis. Spill nennen die Exil-Berliner Tony Buck (u.a. The Necks) und Magda Mayas ihr Duo. Die vier Tracks auf Fluoresce (mono050) werden vom bewegten Percussionsspiel getragen: prutzelnde Geräusche, warme Streicheleinheiten und pointierte Schläge setzen die Pace, Klavier- und Orgeltöne schleichen sich behutsam in das Dickicht hinein. Es entsteht eine dschungelhafte Atmosphäre. Eine echte Entdeckung ist die kurze Platte (auch als Tape erschienen) Biało (Bôłt) der Künstlerin Asi Mina, aka Joanna Bronisławska. Die Musik ist ein dunkeln brodelnder, irgendwie fragiler Mix aus analogen Synthiklängen und elektronische Ausschmückungen. Der Gesang ist seltsam dominant und doch erratisch, die Stimmaufnahme klingt bisweilen übersteuert und stolpernd. Bei den Textvorlagen handelt es sich um Gedichte des polnischen Klassikers Miron Białoszewski, die Adaption in popkulturelle Gefilde ist aller Ehren wert. In einer Art Gegenentwurf zum Quintett Avant moduliert Lionel Marchetti aus Aufnahmen eines Improvisationsensembles mit fast gärtnerischer Behutsamkeit schlüssige Stücke für das Album TSSTT! (mono048). Feldgeräusch, fast acid-mässiges Tape Splicing und weiteer reduzierte Elektroakustik setzen die Farbpalette für die Interventionen und Gespräche der Bläser. Nicht immer ist klar, ob Vögel echte Vögel oder doch überdrehte Klarinetten sind. Sicherungsknacksen, brutzelnde Kurzwellen und crescendierende Trompetensounds erzeugen eine Musik von bizarrer Schönheit und forderndem Charakter. Beteiligt sind Xavier Charles, Jean-Philippe Gross, Franz Hautzinger und eben Lionel Marchetti. Nicht passender betiteln können hätte Helge „Deathprod“ Sten sein Album Monochromes (BOLT BR ES15). Bewegungsarme Klangströme entfalten sich im Raum,. tietchoide Menschenferne beherrscht das Geschehen. In langsamen Bewegungen lösen elektronische Flächen einander ab, nicht dronig kreiselnd, sondern wir massige Quader im Raum liegend. Schöne, leicht wehmütige Mitternachtsmusik spielt Mirt auf Mud, Dirt & Hiss (Catsun CAT14). Die Platte atmet den Geist der 1990er Electronica-Hochzeit; in einer Passage vermuten wir sogar ein zartes Autechre-Zitat. Insgesamt bleibt die für Mirt typische filmische Qualität erhalten, hier in vielen Momenten angereichert durch eine dubbige Note. Aus der Reihe „Polish Radio Experimental Studio“ stammt die Doppel-CD Pole Reports From Space (BR ES17), die historische und aktuelle Stücke zum Thema Weltraumreisen versammelt. Vertreten sind unter anderem der Altmeister Eugenius Rudnik mit einer Arbeit zwischen Hörspiel und elektroakustischer Komposition, Arturas Bumsteinas, Krzysztof Penderecki mit einem kurzen elektronischen Stück und weiterer mehr. Vielen Stücken gemein ist das Vorkommen einer knorrigen Erzählstimme. Spannend anzuhören!
Zipo
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