Reinhold Friedl
Inside Piano 2xCD
(zeitkratzer records/Broken Silence zkr 0013)

In meinem völlig unprofessionellen Verständnis ist Reinhold Friedl weniger ein Komponist denn ein Ermöglicher. Unter einem Komponisten stelle ich mir insgeheim immer noch ein entrücktes Genie vor, dass die zu schreibende und später von Musikern zu spielende Musik vor ihrer Materialisierung bereits „im Kopf“ hat. Eine völlig verquaste Idee, die dem heutigen Arbeiten von Komponisten so gar nicht mehr entspricht, aber ich komme irgendwie von dieser Vorstellung nicht los. Reinhold Friedl stelle ich mir vor allem als einen passionierten Hörer, einen extrem kenntnisreichen Zuhörer. Hiervon zeugt seine Arbeit mit Zeitkratzer, wo er vor allem für überraschende Über-Tragungen zwischen Genres, Zeitschienen und Haltungen verantwortlich ist. Als Radiomacher ist er ein versierter Connector, der Musiken und Stilistiken zusammenbringt, thematische Tiefenbohrungen vornimmt und insgesamt wach forscht. Als, nun ja, Komponist scheint er diese vorgenannten Qualitäten in die Waagschale zu werfen und sich vor allem als Malocher zu betätigen. Inside Piano (auch als Vinyl veröffentlicht beim feinen Hrönir Imprint) zeigt Friedl auf einer Reise in das Innerste des wohl bürgerlichsten Instruments des Westens – des Flügels. CD 1 enthält vor allem perkussive und vibrierende Stücke, ganz im Sinne einer „Strumming Music“. Cluster entstehen, schrille Frequenzbrücken und dynamische Wogen. Der Deckel des Steinway scheint zu glühen. Auf der zweiten CD sind fließende und ruhigere Stücke versammelt, in denen Friedl die Mechanik des Instruments geflissentlich ignoriert und das Innere streicht und sogar streichelt. Luftige Drones und Tonbögen entstehen, die so gar nicht nach Flügel klingen. Dies war eingangs gemeint mit meinem dusseligen Gerede vom Ermöglicher: nicht werkhafte Programmatik scheint Reinhold Friedl anzuspornen, sondern die Chance, ganz neuartige und fragile Sounds entstehen zu lassen. Toll!
Zipo
www.reinhold-friedl.de