Tomasz Sikorski | Julius Eastman
Unchained CD
(Bolt Records BR 1026)
Zwei Außenseiter des Klassikbetriebs, die gerade im Festivalzirkus wiederentdeckt werden, sind hier vereint. Beide nicht oder nur unwesentlich älter als 50 Jahre geworden, beide in ihrer Art zu komponieren sehr eigen aber nicht unzugänglich. Eastman prägte seine ganze eigene Variante des Minimalismus, der in eine maximale Klangbewegung mündet. Evil Nigger, ein Stück für vier Klaviere, ist ein Fest der Transparenz und Wucht zugleich; die Töne purzeln und rollen und doch bleibt der Aufbau klar und ohne viel Firlefanz. Sikorskis Musik scheint im Vergleich zu Eastman mystischer und introvertierter. Listening Music steigt wie Morgennebel aus der Fläche empor; leicht gegeneinander versetzte, verhaltene Klavierakkorde werden immer und immer wieder wiederholt. In großen Abständen tropft auf dieses Tableau ein hellerer Klavierklang hinab, wie dicke Tautropfen aus schweren Tannenzweigen. Diaphony (1969) ist vehementer; aber auch hier bleiben die Klänge irgendwie scheu, wie das sprichwörtliche Reh auf der Lichtung. Es wirkt fast so, als sei die Musik erschrocken, plötzlich zu erklingen – immer wieder hält der Tonstrom inne und verharrt zweifelnd. Es gelingt der CD Unchained sehr schön, die beiden unterschiedlichen Charaktere – dort der extrovertierte Kämpfer Eastman, hier der verhuschte Eigenbrötler Sikorski – gegenüberzustellen.
Zipo
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